Mittwoch, 2. November 2016

Mein Name ist Leon - Kit de Waal

"Wenn er schnell genug fährt, dann hat er so ein flattriges, glückliches Gefühl im Bauch, als ob er ein Superheld wäre, als ob er nicht oben auf dem Hügel anhalten müsste, sondern einfach weiter über die Autos und die Dächer und die Telegrafenmasten fliegen könnte, weit weg, über die Stadt hinweg, und von oben auf die Gärten mit all den Kindern und Babys hinunterschauen und sehen kann, wo Jake gerade ist, und Jake würde winken, und Leon würde rufen: 'Ich kann dich sehen, Jake! Ich kann dich sehen!' " - S. 143


Bis zu den letzten 20 Seiten wusste ich nicht, was ich von der Geschichte halten soll. Berührt sie mich? Fesselt sie mich? Schleicht sie sich in mein Herz? Nichts dergleichen fühlte ich während der Lektüre. Ich wurde teilweise wütend, und auch ein wenig traurig gestimmt. Der kleine Held Leon hat mich am Ende aber dann doch ein bisschen verzaubert.

Klappentext:
Leon ist neun und ziemlich dunkelhäutig, sein Halbbruder Jake dagegen ganz blond und erst sechs Monate alt. Als ihre Mutter Carol mal wieder richtig Pech mit einem Kerl hat, bleibt sie einfach im Bett liegen. Und Leon muss sich um Jake kümmern, ihn wickeln, etwas zu essen besorgen.
Das fliegt natürlich irgendwann auf, das Sozialamt schaltet sich ein. Es bringt die beiden Jungs erst einmal bei Pflegemutter Maureen unter: übergewichtig, rothaarig, etwas nah am Wasser gebaut - man muss sie schon ein bisschen kennenlernen, um zu merken, was für ein riesengroßes Herz Maureen hat. Bald findet sich auch eine richtige Adoptivmutter für Jake, denn der ist klein und blond. Leon weiß nicht mehr ein und aus vor Schmerz. Und er fasst einen Plan. Einen gefährlichen Plan, in diesem heißen Londoner Sommer 1981 ...


Gelesen Oktober 2016

Meine Meinung

Ich finde, der Klappentext fasst die Handlung des Buches sehr gut zusammen. Alles in allem habe ich mir leider zu viel von der Geschichte erwartet. Nach der Lektüre des Klappentextes habe ich ehrlich gesagt auf eine tiefgehende, psychologische Herangehensweise an die Themen Pflegekind, Pflegeeltern, Adoption und das Verhältnis zwischen den Weißen und Schwarzen gehofft. Leider war dem nicht so.

Aber weil der Schreibstil sehr angenehm und Leon ein guter Protagonist ist, zwang ich mich zum Weiterlesen. Die Konflikte zwischen den Schwarzen und der Londoner Exekutive werden zwar auf den letzten Seiten aufgegriffen, trotzdem fand mir das zu oberflächlich statt. Ich dachte, da ja auch Leon dunkelhäutig ist, da sein Vater ein Schwarzer ist, dieses Thema viel mehr aufgegriffen und Leon viel mehr damit konfrontiert wird.

Alles rund um Pflegefamilien und Co. haben mich sehr traurig gestimmt. Auch wenn es oft gewisse Umstände bzw. Zustände nicht zulassen, dass Eltern sich um ihre Kinder kümmern können, regt es mich doch sehr auf. Die Kinder können nichts für die Erziehungs- und Verantwortungsunfähigkeit der Eltern, leiden aber oft sehr darunter, sind traumatisiert und werden manchesmal selbst zu Problemkindern, die ihr Leben später nur schwer auf die Reihe kriegen.

...Doch damit das alles nicht passiert, gibt es die wunderbaren Pflegefamilien! Maureen, Leons Pflegemutter, und all den Pflegemüttern da draußen auf der ganzen weiten Welt spreche ich mein großes Lob und meine große Bewunderung aus! Ich denke, es ist eine große Herausforderung, wildfremde Kinder bei sich aufzunehmen, auf ihre Bedürfnisse einzugehen und ihr Vertrauen zu gewinnen. Wenn ich Pflegefamilien in meiner Heimatstadt sehe, denke ich mir manches Mal: "Ich will gar nicht wissen, was dieses Kind schon mit erlebt hat." ... Deshalb noch einmal danke für eure Geduld, liebe Pflegemamas und Pflegepapas!

...

So, das war jetzt ein kleiner Exkurs in meinen Kopf, meine persönlichen Gedanken dazu kennt ihr jetzt auch.

Zum Buch selbst zurück: Ich wurde zuallererst wegen des Covers darauf aufmerksam und wie schon erwähnt, hatte ich große Erwartungen. Während des Lesens versuchte ich verzweifelt, irgendeine persönliche Bindung zu einem der Charaktere zu entdecken, aber ich konnte mich leider mit keinem richtig identifizieren.
Ein paar Handlungen und Reaktionen der Figuren konnte ich nicht ganz nachvollziehen, ich finde auch, dass die Charaktere noch etwas an Tiefe vertragen hätten.

Bis zu den letzten 20 Seiten war ich mir sicher, dass dieses Buch maximal 3 Kirschen von mir bekommen würde. Doch dann kam (endlich) Spannung auf. Obwohl das Ende für mich voraussehbar war, fieberte ich doch ein wenig mit und auch am Ende, auf der letzten Seite, schaffte auch ich es, Leon in mein Herz zu schließen.

Fazit: Das Buch vermittelt sehr wichtige Botschaften und regt dazu an, über die verschiedenen Themen nachzudenken. Die Autorin hat selbst in der Familienhilfe gearbeitet und ich finde es sehr toll, dass sie ein so wichtiges  Thema zu Papier gebracht hat, auch wenn ich mir die Umsetzung hier und da anders gewünscht hätte.

Meine Bewertung






Ich überlegte lange zwischen 3 oder 4 Kirschen hin und her. Da ich aber der Meinung bin, dass das Buch die breite Masse anspricht und ich vielleicht doch sehr sehr kritisch in diesem Fall war, runde ich von 3,5 auf 4 Kirschen auf. :)


Auch du möchtest es lesen?

Genre: Roman
Verlag: Rowohlt Polaris
Seiten: 320
Preis: € 15,50 (A) , € 14,99 (D)
ISBN: 978-3-499-27230-1

2 Kommentare:

  1. Hallo liebe Kerstin!

    Lieben Dank für deine tolle Rezension und deine Gedankengänge zum Buch! Trotz einiger Schwächen fandest du den Roman gut und ich überlege jetzt wirklich, ob ich es mir kaufe. :) Die Geschichte klingt ganz nach meinem Geschmack.

    Lieben Dank und liebe Grüße,
    Jay

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    1. Liebe Jay!

      Danke für deine lieben Worte und dass du meine Rezension gelesen hast. :) Ich freu mich schon, von deiner Meinung zu hören. :)

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